Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945

Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945

Veranstalter
Deutsches Historisches Museum Unter den Linden 2, 10117 Berlin (12344)
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12344
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.01.2007 - 29.04.2007

Publikation(en)

Czech, Hans-Jörg; Doll, Nikola (Hrsg.): Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945. . Dresden 2007 : Sandstein Verlag, ISBN 978-3-86102-143-8;978-3-937602-93-6 536 S. € 34,00 (Museumsausg.)/€ 48,00 (Buchhandelsausg.)
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thymian Bussemer, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Die Ausstellung „Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945“ des Deutschen Historischen Museums (DHM) zeigt staatlich konzessionierte Auftragskunst aus Deutschland, Italien, der Sowjetunion und den USA. Entstanden ist diese Schau, die im Untergeschoss des Pei-Baus zu sehen ist, durch eine enge Kooperation zwischen dem DHM (<http://www.dhm.de>), dem in Florida ansässigen Wolfsonian Museum (<http://www.wolfsonian.fiu.edu/>) und der Sammlung Mitchell Wolfson Jr. in Genua (<http://www.wolfsoniana.it/en/index.htm>). Das Projekt ist auf zwei verschiedene Ursprungsideen zurückzuführen: den schon lange existierenden Vorschlag des Wolfsonian Museums, eine internationale Vergleichsschau zur Propagandakunst des 20. Jahrhunderts zu realisieren, und die auf Seiten des DHM allgemein anerkannte Notwendigkeit, die rund 600 Werke umfassende eigene Sammlung nationalsozialistischer Auftragskunst öffentlich zugänglich zu machen und kritisch zu bearbeiten.

Aus diesen beiden Ansätzen ist die nun zu sehende Ausstellung entstanden. Gezeigt werden in der von Hans-Jörg Czech und Nikola Doll konzipierten und kuratierten Schau rund 400 Exponate, von denen viele zu der weithin bekannten politisch-agitatorischen Kunst bzw. Ikonografie NS-Deutschlands, Italiens und der Sowjetunion gehören (vor allem Arno Breker und Aleksandr Rodchenko stechen hier hervor). Daneben treten aber zahlreiche Werke, die bislang fast völlig unbeachtet blieben, etwa Pläne für monumentale Stadtumbauten oder Porträtfotografien und Gemälde der politischen Führer Hitler, Stalin, Roosevelt und Mussolini. Insgesamt entsteht ein umfangreiches Panorama der Selbstrepräsentation der Regime der 1930er-Jahre, ihres Menschen- und Gesellschaftsbilds sowie der damit verbundenen Ästhetik.

Sieht man einmal von den kunsthistorischen Aspekten dieses Epochenvergleiches ab, die der Autor dieser Besprechung nur unzureichend beurteilen kann, verfolgt die Ausstellung auf historisch-politischer Ebene im Wesentlichen zwei Ziele: Es geht einerseits um die Dokumentation einer engen Verbundenheit von Kunst und Propaganda und andererseits um den Nachweis, dass die Regime der 1930er- und 1940er-Jahre in Deutschland, Italien, der Sowjetunion und den USA(!) von durchaus ähnlichen Strukturmerkmalen, politischen und sozialen Problemstellungen, ästhetischen Idealen und Verständnissen von Moderne und (Massen-)Kultur geprägt waren – was zur Folge hatte, dass sich in diesen vier Ländern ähnliche Formen von Propagandakunst ausbildeten.

Die erste These kann schwerlich als originell bezeichnet werden; die Ästhetisierung von Herrschaft gilt schon seit Jahrzehnten als eine der wesentlichen Steuerungstechniken vor allem der Diktaturen des 20. Jahrhunderts und gehört damit zu den klassischen Themen sowohl der Kunstgeschichte wie der Medienforschung. Das zweite Ziel der Ausstellung ist hingegen umso atemberaubender: Die Möglichkeit einer Parallelisierung von Faschismus, Stalinismus, Nationalsozialismus und New Deal im Hinblick auf das Leitthema „Kunst und Propaganda“ ist die steile und gewagte These des Vorhabens, die große Erwartungen hervorruft – an der aber, das sei schon an dieser Stelle gesagt, die Konzeption des Projekts leider scheitert.

Denn die Ausstellung macht durch ihre klare Gliederung in die thematischen Großgruppen „Bilder der Staatsführer“, „Bilder von Mensch und Gesellschaft“, „Bilder von Arbeit und Aufbau“ sowie „Bilder zum Krieg“ (ein Schlussraum thematisiert dann noch den Umgang mit Propagandakunst nach 1945) zwar deutlich, dass die 1930er-Jahre in allen untersuchten Ländern gemeinsame Epochenzüge hatten und die politischen Führer ähnliche Repräsentationsmechanismen favorisierten. Sichtbar wird auch, dass Demokratien wie Diktaturen während des Zweiten Weltkriegs ähnlichen Methoden der Kriegspropaganda folgten und vergleichbare Visualisierungsstrategien anwandten. Die Nebeneinander- bzw. Gegenüberstellung der vier Länder in allen fünf Räumen eignet sich gut als „Schule des Sehens“. Leider haben es die Ausstellungsmacher aber weitgehend versäumt, nach dem „Warum“ der Ähnlichkeiten (und Unterschiede) zu fragen, also die sozialstrukturellen, kunstimmanenten, politischen und anderen Rahmenbedingungen zu identifizieren, die für die ästhetischen Phänomene mitverantwortlich sind. Das ist zwar in einer Ausstellung zugegebenermaßen schwer zu realisieren, doch eine Kontextualisierung der Verbindungslinien zwischen den einzelnen Ländern über offensichtliche textliche (Roosevelt und Hitler kamen beide 1933 an die Macht) oder visuelle (Darstellung von Militärparaden) Querverweise hinaus wäre nötig gewesen, um den Besucher nicht mit bloßen Beobachtungen alleinzulassen.

Aus der Perspektive einer systematischen und vergleichenden Propagandaforschung ist dieses Scheitern mehr als bedauerlich, denn es spricht einiges für den Gedanken, sich bei der Analyse von Propaganda, gerade bei der Betrachtung der Epoche von 1930 bis 1945, künftig nicht mehr primär an politischen Systemen, Faschismus- oder Totalitarismus-Theorien zu orientieren, sondern stärker die gemeinsamen Strukturmerkmale und Ausprägungen des Phänomens Propaganda in den Blick zu nehmen. Die Erklärungskraft eines solchen, Demokratien und Diktaturen einbeziehenden Ansatzes wäre groß, da dies unter anderem darüber Auskunft geben könnte, warum so viele Entwicklungen – auch und gerade im Bereich der Ästhetik – trotz unterschiedlicher politischer Systeme und kultureller Prägungen in Deutschland, Italien und den USA ähnlich abliefen.1

Gerade bezogen auf Propaganda zwischen 1930 und 1945 lässt sich leicht feststellen, dass die Theoretisierungen und Konzeptionen in den vier Ländern der Ausstellung um sehr ähnliche Stichworte kreisten: Genannt seien hier nur die Diskussionen um Massen und die Massengesellschaft, die Folgen der Medialisierung für die Politikvermittlung, das Potenzial von Unterhaltung für persuasive Kommunikation, die Aufgaben einer sozialwissenschaftlich angeleiteten Zielgruppenforschung und die technischen Möglichkeiten der neuen Funkmedien. Diese in allen vier Ländern vorhandenen Merkmale und Diskursstränge hatten auf die konkrete Ausprägung von Propaganda vermutlich mehr Einfluss als die unterschiedlichen, die Propaganda eigentlich anleitenden Ideologien.

Untermauert werden könnte ein solcher, die Unterschiede nicht einebnender, aber neue Sichtweisen ermöglichender Vergleich durch einen Blick auf die übergreifenden Merkmale der Epoche 1930–1945, welche auf alle in den Vergleich einbezogenen Gesellschaften gleichermaßen zutreffen: ¬Alle vier Länder durchliefen in dieser Zeit eine neue Phase der Industrialisierung, die auf eine Durchsetzung des Taylorismus als Modell der Produktionsorganisation abzielte (auch die Sowjetunion orientierte sich daran!). Kulturell setzten sich unter veränderten Vorzeichen die Tendenzen der Moderne fort, welche die 1920er-Jahre geprägt hatten. Die modernen Massenmedien und vor allem das Radio erlangten eine zentrale Bedeutung für das politische Informations- und Freizeitverhalten der Menschen. Die Weltwirtschaftskrise bedeutete in den westlichen Ländern ein Ende des Liberalkapitalismus und die Durchsetzung von staatlichem Dirigismus sowie eine Intensivierung staatlicher industrieller Großprojekte, gerade im Städtebau; die westlichen Gesellschaften näherten sich in dieser Hinsicht also der Sowjetunion an. Hinzu kamen in allen Gesellschaften neuartige sozialtechnologische Steuerungstechniken und ein Bild vom „neuen Menschen“, das auch der New Deal in Grundzügen entwickelte.

Von einer solchen analytischen Startrampe aus – die freilich zu komplex ist, um im Medium Ausstellung systematisch verfolgt werden zu können – wäre es auch möglich zu erklären, warum Propagandatechniken und politische Ikonografien sich in allen betrachteten Gesellschaften ähnlich ausprägten. Dieser übergreifende Gedanke kommt auch im Katalog zu kurz.2 Angerissen wird die hier erläuterte Perspektive nur in den Texten des Kurators Hans-Jörg Czech und des DHM-Direktors Hans Ottomeyer – die übrigen Autoren der 26 zum Teil sehr lesenswerten Essays verharren in länderspezifischen Detailbetrachtungen.

Und noch ein anderes Problem adressiert die Ausstellung nur, ohne es aufzulösen: Während die Symbiose von Kunst und Propaganda für die dargestellte Epoche augenfällig ist, gelingt es nicht, die spezifische Differenz zwischen beiden zu erklären. Denn das eigentliche Problem besteht ja darin, dass Kunst und Propaganda eben nicht identisch sind, sondern nur Schnittmengen haben. Würde Kunst vollständig in Propaganda aufgehen, auf jeden eigenen Realitäts- und Wahrnehmungszugang verzichten und damit auch ihren zumindest partiellen Autonomieanspruch aufgeben, wäre sie eben keine Kunst mehr, sondern nur noch nach künstlerischen Regeln verpackte Propaganda, bestenfalls also Gebrauchsgrafik oder Kunsthandwerk. Dies trifft aber auch für die in der Ausstellung untersuchten Epochen überwiegend nicht zu; ja es fällt auf, dass zumindest einige der gezeigten Werke auch nach dem Ende ihres jeweiligen Systemkontexts in ästhetischer Hinsicht noch Bestand haben. Denn erstens haben alle totalitären Regime die Schwierigkeit gehabt, dass eine Total-Instrumentalisierung der Kunst einen beinahe sofortigen Qualitätsverfall der künstlerischen Produktion zur Folge hatte, weil die begabteren unter den Künstlern das Primat des politischen Zugriffs nicht akzeptierten. Selbst offen nationalsozialistische Künstler wünschten keine offiziöse NSDAP-Kunst, sondern Kunstrichtungen, die ihrer Meinung nach in subtilerer Form als künstlerische Pendants zur geltenden politischen Ideologie bestehen sollten – was vielfach bedeutete, dass sie eine offene Politisierung ihrer Kunst im Sinne einer klaren Parteinahme verweigerten.

Zweitens hatten auch die totalitären Herrscher der Epoche einen spezifischen Kunstgeschmack und nutzten ihre Machtfülle, um die Herstellung ihnen gefallender Kunst anzuregen. Hierfür waren nicht politische Instrumentalisierungs-, sondern ästhetische Geschmacksüberlegungen ausschlaggebend. Drittens schließlich stieß offen propagandistische Kunst bei den Bevölkerungen vielfach auf Ablehnung. Nicht umsonst erkannte Joseph Goebbels in Deutschland, dass akzeptierte Propagandakunst in erster Linie Kunst zu sein habe und erst in zweiter Linie nationalsozialistische Inhalte (in wohldosierter Form) transportieren dürfe.

Diese komplexe Gemengelage bekommt die Ausstellung nur unzureichend in den Griff. Sie verwischt die Unterschiede zwischen ideologisierter Kunst und künstlerisch verpackter Propaganda, indem sie plumpe Schlachtenmalerei und eilig hinter der Front hergestellte Propagandaplakate neben Werke der Avantgarde stellt – etwa des italienischen Futurismus –, ohne die grundsätzlich verschiedenen Intentionen der Entstehung und die Produktionsbedingungen dieser sehr verschiedenartigen Formen von Propagandakunst ausreichend zu reflektieren.

„Kunst und Propaganda“ ist ohne Zweifel ein Experiment. Dem Deutschen Historischen Museum ist dafür zu danken, dass es sich auf dieses Wagnis eingelassen hat. Die in seinen Beständen lagernden Werke der NS-Kunst sind ein heißes Eisen, das im Rahmen einer internationalen Vergleichsausstellung unzweifelhaft richtig aufgehoben ist. Die aus diesem Vergleich resultierenden Einsichten in bestimmte Gemeinsamkeiten der politischen Herrschaftssysteme der 1930er- und 1940er-Jahre wie in die letztlich nur zeitgebunden definierbare Verschränkung von Kunst und Propaganda macht die Ausstellung aber nicht hinreichend transparent.

Anmerkungen:
1 Siehe Wolfgang Schivelbuschs herausragende Studie: Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus, New Deal 1933–1939, München 2005. Mit einem ähnlichen Vergleichsansatz: Patel, Kiran Klaus, Soldaten der Arbeit. Arbeitsdienste in Deutschland und den USA 1933–1945, Göttingen 2003.
2 Inhaltsverzeichnis unter: <http://www.dhm.de/ausstellungen/kunst-und-propaganda/katalog_kunst_und_propaganda_inhaltsverzeichnis.pdf>.